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Dezember ist der grausamste Monat

Für seinen ersten Langspielfilm nimmt sich der belgisch-flämische Regisseur Manu Riche, der sich bisher insbesondere im Dokumentarfilmfach einen Namen gemacht hat, der Verfilmung des Romans „Problemski Hotel“ von Dimitri Verhulst an. Der episodische Text des Flamen erschien 2003, der Film wurde vor ungefähr fünf Jahren begonnen, und doch könnte die besprochene Thematik nicht relevanter für unsere soziale und politische Aktualität angesichts der Flüchtlings- und Migrationsproblematik sein.

Mitten in Brüssel in einem notdürftig eingerichteten Heim leben Menschen unterschiedlicher Kultursphären, die auf eine offizielle Entscheidung bezüglich ihres Asylgesuchs in Belgien warten. Einzelne von ihnen haben bereits eine zweite Ablehnung erhalten und wissen, dass sie beim dritten Mal definitiv das Land verlassen müssen. Die meisten von ihnen sind alleinstehende Männer und Frauen, die auf der Suche nach einer perspektivreicheren Zukunft zum Teil auf abenteuerliche und lebensgefährliche Weise ihre Heimat verlassen haben. In diesem Auffanglager überschlagen sich die Geschichten und Schicksale, sie bleiben aber unter den Bewohnern weitgehend unausgesprochen.

Bipul, der sich nicht mehr an seinen Namen oder an seine Herkunft erinnert, fungiert im Heim als eine Art Bindeglied zwischen den Bewohnern, er übersetzt für sie und hilft ihnen bei Behördengängen. Er hat schon viele Menschen kommen und gehen sehen, dass er jede Hoffnung verloren hat. Erst als eine junge Russin ankommt und er sich in sie verliebt, scheint es, als würde sich für eine kurze Zeit doch noch etwas verändern, als sei eine gemeinsame Zukunft zu zweit möglich.

© PROBLEMSKI HOTEL, Manu Riche 2015

© PROBLEMSKI HOTEL, Manu Riche 2015

Abgesehen von den ernsten – und bedrückenden – Haupthandlungssträngen besitzt „Problemski Hotel“ auch eine eindeutig ironische Note. Der Film bleibt darin der literarischen Vorlage treu und erweckt absurd-surreale Charaktere zum Leben wie General Tomatski, der seinen Namen deswegen trägt, weil er in einem Lastwagen voller Tomaten nach Brüssel kam und dem seitdem beim Anblick von Tomaten übel wird. Da sind zum anderen der russische Igor, der verbissen Französisch lernt, weil er in die Fremdenlegion eintreten will oder der junge Araber, der auf der Suche nach einer unverheirateten Frau ist, die ihm zur belgischen Nationalität verhelfen soll und dazu Bossa Nova tanzend durch die U-Bahn schwebt. Regisseur Riche bewahrt den sarkastischen und zynischen Humor des Romans, der für Verhulst so kennzeichnend ist. Dabei enstand eine schwarze Komödie oder eher ein Sozialdrama mit komischen Elementen, das intelligent konstruiert und kurzweilig erscheint.

Manu Riche war der Aufgabe gewachsen, einen an sich schwer verfilmbaren Text, auf eigene Art zu adaptieren und hat somit ein selbstständiges künstlerisches Werk geschaffen. Durch die Wiederholung einfacher, aber wirkungsvoller Sequenzen, die als Riches Einfall gelten, erhält der Film eine dramaturgische Einheit und zeugt von der überragenden Kapazität des Regisseurs in Bezug auf die Bildfindung. Die Besetzung des Films überzeugt in voller Länge. Gerade die Hauptrolle des Bipul, gespielt von dem in Belgien angesehenen Tänzer Tarek Halaby, wirkt besonders beeindruckend.

Es bleibt unverständlich, dass „Problemski Hotel“ 2016 für die Teilnahme an der Berlinale abgelehnt wurde, besitzt er wertvolle cinematografische sowie sozialpolitisch relevante Qualitäten. In Berlin wurde er in diesem Jahr beim ersten Weihnachtsfilmfestival in Anwesenheit des Regisseurs gezeigt und stimmte das Publikum sowohl nachdenklich als auch versöhnlich gegenüber der eigenen Lebenssituation.

„Problemski Hotel“, Regie: Manu Riche, Darsteller: Tarek Halaby, Gökhan Girginol, Evgenia Brendes, Lydia Indjova, auf DVD

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