Mord und Totschlag in Berlin
„Schattenspiel“ (OT niederländisch „schaduwspel“) ist der zweite Krimi der niederländischen Autorin Ellen G., der eine Verbindung zwischen Berlin und einem kleinen Dorf in Andalusien herstellt, beides beliebte Aufenthaltsorte der Autorin.
Als Protagonist des Romans präsentiert sich Wolfgang, ein ehemaliger Kriminalpolizist, der nach dem gewaltsamen Verlust seiner Frau, nach Spanien entflohen ist. Hier beginnt die Geschichte mit der komplizierten Liebesbeziehung zu Julia, die Wolfgang zu dessen Verdruss einerseits auf Distanz hält, andererseits mit ihrem Wunscht auf baldige Familiengründung unter Druck setzt. Da kommt es gelegen, dass Wolfgang in Berlin gebraucht wird. Leider ist der Anlass nicht der Schönste. Wolfgang will sein Haus in Berlin verkaufen, um in der spanischen Region Galizien ein Ferienhaus kaufen zu können. Das spanische Homosexuellenpaar Sergio und Francisco reisen nach Berlin, um es zu besichtigen. Francisco, wohlhabender Fotograf, ist gleichzeitig der Neffe des misepetrigen Hauptkommissars Javier, den Wolfgang in Andalusien kennengelernt hat. Nach dem sie Francisco über längere Zeit nicht erreichn konnten, erhält Wolfgang einen Anruf eines ehemaligen Kollegen bei der Mordkommission, der ihn über den Tod von Francisco informiert.
Gemeinsam mit Javier fährt er nach Berlin, um selbst an den Ermittlungen teilzunehmen. Dieser scheinbar irrationale, vermutlich homophobisch oder xenophobisch motivierte Mord, löst eine ganze Kette an tödlichen Ereignissen aus, und entblöst Einblicke in unsaubere Machenschaften und in eine unaufgearbeitete Vergangenheit.
Unter den Verdächtigen erscheinen die Bewohner einer Kleingartenkolonie und insbesondere die Mitglieder einer Neonazi-Gruppe. Es spannen sich verschiedene Fäden zwischen den aktuellen ereignissen und dem früheren Mord an Wolfgangs Frau Claudia. Sie war Fotografin un dhatte ein Fotoprojekt zum Thema Neonazis geführt – ein Indiz, das Wolfgangs Verdacht auf dieses Milieu erhärtet.
Doch die Lösung des Falles ist nicht so einfach. Es reihen sich eine Entführung, weitere Morde, Körperverletzungen und Bedrohungen aneinander. Immer vermutet man dahinter einen fremdenfeindlichen, politischen Ansporn, doch die wahre Motivation ist schließlich – wie es bei Verbrechen am häufigsten vorkommt – Rache aus Eifersucht.
Kapitel um Kapitel eskaliert die Geschichte. Als man glaubt, schlimmer könne es nicht werden, tut sich ein noch tieferer Abgrund auf. Zwischenzeitlich verschieben sich die Sympathien des Lesers auf die Figuren hin und her, immer neue Enthüllungen über die Charaktere, lassen einen schanken, fordern vom Leser eine Auseinandersetzung mit der neuen Situation und unbewusst auch eine Stellungnahme. Abgesehen davon, dass die rein äußelriche Entwicklung der Geschichte in der Zuspitzung etwas übertrieben wirkt, und dem klassischen Aufbau eines Kriminalromans entspricht, bietet Ellen G. eine komplexe Charakterisierung ihrer Figuren. Genau dies macht die Stärke des Buches aus. Dazu kommt ihre realistische, vielschichtige und authentische Beschreibung der Stadt Berlin. Die Autorin beschränkt sich nicht auf ein einzelnes Gebiet, von Prenzlauer Berg, über Neukölln, Charlottenburg, Kreuzberg, bis Mitte und Schöneberg ist alles dabei. Beschrieben werden Orte wie das Landeskriminalamt an der Keithstraße, eine Ur-Berliner Kneipe in Neukölln, ein spanisches Restaurant in Prenzlauer Berg oder eine Einfamilienhaussiedlung in Britz. Zentrum des Buches ist eine Kleingartenkolonie mit ihrer fasznierenden Eigendynamik, die insbesondere Besitzer eines Kleingarten vermutlich als realistisch nachempfeinden werden. Ellen G.s Buch bewegt sich zudem durch verschiedene soziale Gesellschaftsschichten von der unteren Mittelschicht bis zur Oberschicht.
Die Autorin hat insgesamt eine sorgfältige Beobachtungsgabe, die das Buch lesenswert macht. Etwas unbeholfen wirkt die Beschreibung von allem Sexuellen und die angeblich omnipräsente Ausländerfeindlichkeit der deutschen Bevölkerung ist an manchen Stellen zu einfach, etwas platt und zu wenig differenziert. Doch „schaduwspel“ ist spannend und unterhaltsam – die deutsche Übersetzung kann kommen!