Krimi aus den Niederlanden
Marjolijn Uitzinger ist eine niederländische Autorin, die bereits ihren dritten Kriminalroman geschrieben hat, der gänzlich in Berlin spielt. „De Huisgenoot“ („Der Mitbewohner“) erschien 2014 und konnte beim niederländischen Publikum, das es gezielt anspricht, einen erheblichen Erfolg verbuchen. Der Roman steht als einer von zwölf auf der Nominiertenliste für den „Gouden Strop“ (Goldener Strick)-Preis 2015, der jährlich den besten „spannendensten“ Roman kürt und in den Niederlanden den gleichnamigen Buchmonat (Juni) eröffnet.
Am 15. April war Uitzinger an der VHS in Berlin-Schöneberg zu Gast und hielt für Lernende der niederländischen Sprache und weitere Interessierte eine Lesung zu ihrem neuesten Werk. Sie stand zudem Frage und Antwort über den Beruf des Autors und erzählte, wie sich der Laie den Prozess vom Manuskript bis zur Veröffentlichung vorzustellen hat. Es stellte sich heraus, dass Uitzinger einem äußerst disziplinierten und sorgfältigen Arbeitsvorgang folgt, indem sie beispielsweise ihre Schauplätze genau recherchiert und penibel auf die Glaubwürdigkeit der Chronologie achtet. Basierend auf einer an sich möglichen Struktur konstruiert sie im Nachhinein ihre Geschichte, die zwar unzimperliche Methoden, Intrigen und Verbrechen beschreibt, doch meist durchaus im Rahmen des Vorstellbaren bleibt.
Das ist auch Uitzingers Analyse für den Erfolg von Kriminalgeschichten, die sich im politischen Milieu abspielen. Die Leute würden sich nicht so sehr für die Politik selbst interessieren, sondern viel mehr für das „ganze Drumherum“. Angestachelt durch die Skandale der letzten Jahre, die Politiker auch in Deutschland zu Fall brachten – da denke man an die Affären um von Gutenberg oder Wulff – hege man zur Politik vielfach Misstrauen. Es sei auch kein Zufall, dass sich Fernsehserien wie „House of Cards“ (USA, mit Kevin Spacey) oder „Borgen“ („Gefärliche Seilschaften“, Dänemark) solch großer Beliebtheit erfreuten. (Eine Serie, die weniger bekannt ist, aber das gleiche Thema mit Humor behandelt ist „Yes, Prime Minister“, UK). Uitzinger verschleiert auch nicht, dass ihre Wahl der literarischen Gattung nach marktspezifischen Überlegungen erfolgt ist.
Unter ihren Vorbildern nennt sie Patricia Highsmith, die sie insofern inspirierte, dass die US-amerikanische Schriftstellerin ebenfalls wie Uitzinger vielfach in ihren Romanen die Spannung nicht damit erzeugte, dass der Leser bis zuletzt nicht wusste, wer der Täter sei. Im Gegenteil vielfach fängt die Geschichte mit der Schilderung des Verbrechens an, manchmal sogar aus der Sicht des Verbrechers, um im Folgenden erst die Umstände dafür aufzurollen. Dieser Technik folgend wird der Leser in „De Huisgenoot“ direkt mit dem tödlichen Unfall eines Fahrradfahrers konfrontiert. Florian von Bismark und Mirco, sein „Mitbewohner“ und Chauffeur, begehen Fahrerflucht. Von Bismark ist Bundestagsabgeordneter der SPD und Anwärter auf einen Sitz im Schattenkabinett der Oppositionsfraktion. Mircos schlechtes Gewissen wird dem aalglatten, karrierefixierten von Bismark zur Gefahr, dass er sich von ihm trennen muss. Im Laufe der Geschichte kommen mehrere weitere Hürden auf den Politiker zu, die er auf rationaler, durchtrieben-manipulatorischen Weise aus dem Weg räumt.
Nun kennt Uitzinger die politische Sphäre – wobei sich die niederländische und deutschen nicht wesentlich unterscheiden sollten -, die sie ins Zentrum ihrer Bücher stellt, aus ihrer Arbeit als Journalistin. In den Niederlanden war sie für Radio und Zeitungen tätig. Sie war zudem als Pressesprecherin für ein Ministerium zuständig und konnte somit auch einen differenzierteren Blick in die Maschinerie werfen. „De Huisgenoot“ ist Marjolijn Uitzingers dritter Roman, nachdem sie 2006 von Amsterdam nach Berlin gezogen ist. Die Stadt ist nicht nur ihr neuer Lebensmittelpunkt geworden, sondern auch bevorzugter Ort für ihrer Geschichten. Auch auf die Niederländer übt Berlin eine besondere Anziehungskraft aus, was sicherlich zur positiven Rezeption von Uitzingers Büchern beiträgt. Es gibt einige Städte, die über die Unterhaltungsliteratur eine zusätzliche Aufmerksamkeit bekommen haben, bisher fehlte Berlin, was Donna Leon für Venedig ist.
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